Es sind die Herbstferien 2016 an der TAS Köln-Mülheim. TAS steht für Tages- und Abendschule, für den zweiten Bildungsweg. Für die Idee, dass keine Tür verschlossen bleibt, wenn sie mit Mut und Willen aufgemacht wird. Wer schon mal Schüler war (also so gut wie jeder), weiß wie heilig Ferien sind. An diesem Dienstag aber stehen vier Schüler und Schülerinnen der TAS um 10 Uhr auf der Matte. Dazu drei weitere junge Erwachsene, die woanders ihre Schulen oder Akademien besuchen. Sechs Frauen und ein Mann, allesamt Teil des Import-Export Kollektivs, dem freien Jugendtheaterensemble in Köln Mülheim, das 2008 von Theaterregisseur Bassam Ghazi gegründet wurde und seit 2015 zum Schauspiel Köln gehört.
Das Ensemble ist das Herzstück der „Schule des Lebens“, dem „Modellprojekt zum Urbanen Lernen“, das in Kooperation mit der TAS aufgesetzt wurde. „Über zwei Schuljahre begleitet das Theater ein Kollektiv von Schülerinnen und Schülern und lädt sie ein, das Theater zum Ort des praktischen Lernens werden zu lassen. 20 Jugendliche und junge Erwachsene werden in mehreren Schritten an die selbständige Durchführung von Kulturprojekten herangeführt.“ Dabei geht es um Selbstbestimmung, um Perspektiven, um Gestaltungsfreiheit und um gesellschaftliche Beteiligung.
Was wir an diesem Dienstag und für zwei weitere intensive Tage mit diesen jungen Erwachsenen erleben, ist aber noch viel mehr. Es ist die Offenbarung des unbändigen Drangs, die eigenen Talente und Seelenlandschaften auszuleben. Nicht nur eine Bühne zu finden, sondern die Bühne des Ichs neu zu erfinden. Und es ist die enorme Kraft des Kollektivs. Selten haben wir in einer Gruppe eine solche Lust am permanenten Kennen lernen erleben dürfen. Es war faszinierend zu beobachten, wie sich dieser Cocktail aus Vertrautheit, Unvoreingenommenheit, Respekt und immer wieder überraschter Neugierde wie von Zauberhand zusammen braute.
Einer der Grundsätze der Prozessbegleitung in den Digital Storytelling Workshops lautet: Vertraue der Gruppe! In den drei intensiven Tagen müssen die Erzähler*innen in ihre Geschichten eintauchen, sich gleich in zwei Computer-Programme einarbeiten – für die Tonbearbeitung in Audacity und für den Videoschnitt in Adobe Premiere Elements – , eigene Inhalte in Wort, Bild, Musik und Ton erstellen und alles zusammenbringen. Das ist ganz schön viel. Die vier Hände, Augen und Ohren der beiden Trainer*innen Astrid und Ferdaous mussten darauf vertrauen, dass die sich eine Eigendynamik innerhalb der Gruppe entwickelt, die Synergien schafft. Vertraue der Gruppe! Es war für uns so selbstverständlich wie kaum je zuvor. Auch wir danken für das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde. Die Geschichten lebten ein eigenständiges, neu hergestelltes Bühnenleben weiter in der Werkschau im November 2016 im Depot 2 des Schauspiel Kölns „Wir über uns – Geschichten aus dem Kollektiv“: